Psychische Behinderungen

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Von Kerstin Spann, 8. Dezember 2025
Triggerwarnung: Dieser Beitrag behandelt ein schwieriges Thema. Es kann um zum Beispiel um Depressionen oder Essstörungen gehen. Wenn du ein Problem mit diesen Themen hast, sollest du ihn besser erst von jemand anderem anschauen lassen.

Psychische Behinderungen 

 

Häufig werden psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft als etwas besonders Ungewöhnliches wahrgenommen, obwohl sie gar nicht so selten sind, wie man denkt: Ein gutes Viertel der deutschen Bevölkerung betrifft diese Thematik unmittelbar. Ich selber bin ebenfalls davon betroffen und kann nachfolgend somit einen ganz guten Einblick in dieses sensible Thema bieten. 

 

Ich selber nehme aktuell mehrere Arten von Psychopharmaka ein, aufgrund meiner Erkrankung, die mich schon Jahrzehnte begleitet. Mit meiner momentanen Medikation bin ich ganz zufrieden, da ich keinerlei Beeinträchtigungen feststelle. Ich glaube, der Schutz vor gravierenden Stimmungsschwankungen ist hiermit gut gegeben. Aber wie meine Leidensgenossen auch wissen, ist bei meiner Erkrankung nichts für immer: Leider sind von Zeit zu Zeit immer mal wieder Klinikaufenthalte und Medikamenteneinstellungen notwendig, weil der Gehirnstoffwechsel wieder entgleist oder sich verändert. Ich war schon etliche Male im Günzburger Bezirkskrankenhaus Patient, was meist Selbstmordversuche zur Ursache hatte. Auch wurden an mir unzählige Medikamente ausprobiert. Zum Glück bin ich seit einigen Jahren recht stabil, was mir erst den Besuch der Lebenshilfe ermöglicht. Ohne die Medikamente wäre ich bestimmt schon längst wieder akut krank (psychotisch) geworden. Es ist sehr viel wert, wenn ein Medikament anschlägt und dadurch im Endeffekt hilft. Die Psychiater haben beileibe keinen leichten Job, denn sie müssen für jeden die optimale Medikation herausfinden bzw. ausloten. Wenn ich meine Medikamente absetzen würde, dann könnte ich nicht mehr schlafen und mein Gesundheitszustand verlöre gewaltig an Stabilität. Außerdem würde meine Tagesstruktur darunter leiden, weil der Schlaf-Wach-Rhythmus gehörig durcheinander wäre. Im schlimmsten Fall kämen psychotische Phasen wieder zurück.  

Ich habe bereits schon eine extrem schlimme Psychose erlebt. Diesen Dauer-Alptraum möchte ich nie wieder mitmachen müssen – und den wünsche ich persönlich auch niemandem: Ich hatte permanent Fehlwahrnehmungen jeglicher Art; dazu extreme Stimmungsschwankungen, (latenten) Verfolgungswahn und Schlaflosigkeit zu erleiden. Durch diesen gesundheitlichen Ausnahmezustand und dessen unmittelbare Folgen riskierte ich beinahe eine Kündigung von meinem Vermieter, weil ich gegen die Regeln verstoßen hatte. 

 

Der eine oder andere wird bestimmt schon von Schizophrenie (wenn man verschiedene Persönlichkeiten hat, es gibt bspw. die paranoide Schizophrenie), Depression (eine tiefe Traurigkeit, die zu Selbstmordgedanken  führen kann), bipolarer Störung (wechselnde Stimmungen zwischen extrem traurig oder extrem glücklich), PTBS (Stress nach einem traumatischen Erlebnis), Zwangsstörungen (unangenehme Gedanken, die das Verhalten beeinflussen), Borderline-Syndrom (Selbstverletzung und Selbstmordgedanken), ADHS (Konzentrationsschwierigkeiten) oder Autismus gehört haben, aber nur wenige wissen darüber wirklich genug und unter welchen Belastungen und Herausforderungen Betroffene sowie auch ihre Familien leiden.   

 

Die meisten der genannten Erkrankungen haben teilweise die gleichen Anzeichen. Diese umfassen meist Manien mit krankhafter Hochstimmung (es geht einem supergut – so als hätte man Drogen eingenommen), selbstmörderisches Verhalten (Selbstmordgedanken und -durchführungen), Halluzinationen (man bildet sich Dinge ein, dies betrifft bspw. den Tastsinn, den Sehsinn, den Geruchssinn, den Hörsinn, den Geschmackssinn und die Gedankenwelt), Verfolgungswahn (Patienten fühlen sich von anderen ständig gesehen),  Ängste und Befürchtungen (diese haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun), Impulskäufe (plötzlicher Kauf von Sachen), Apathie (Nichtbeachtung der Umwelt) und Schlafstörungen. Typisch sind bei manchen Leiden auch (extreme) Stimmungsschwankungen, was bedeutet, dass sich Patient:innen zuerst besonders gut und dann sehr schlecht fühlen und andersherum. Die hierfür wichtigen Gefühle werden im Großteil der Fälle nach außen hin deutlich gezeigt. 

 

Unterschiedlichste Kennzeichen gibt es bei einer psychischen Behinderung, die letztlich aus der Erkrankung kommen und die Eingliederung erschweren:  Empathielosigkeit (man kann mit anderen nicht mitfühlen), motorische Einschränkungen (Störungen in der Bewegung),  Aufmerksamkeitsmängel, Hyperaktivität (man will sich immer viel bewegen und ist ohne Ruhe), man möchte meist alleine sein, man hält wenig aus, man hat keine Lust etwas zu tun, Konzentrationsschwierigkeiten, Lernprobleme, Schwächen im Umgang mit den Mitmenschen, Ruhelosigkeit, Probleme mit der Artikulation (Schwierigkeiten im schriftlichen und/oder mündlichen Ausdruck), Bewegungs- und Koordinationsstörungen, erhöhte Vulnerabilität (Anfälligkeit für äußere Einflüsse) und mangelnde Entscheidungsfähigkeit. All die genannten Punkte führen dazu, dass die Leidgeplagten schlecht in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Viele von denen sind deshalb seit jungen Jahren bereits teilweise oder voll erwerbsgemindert und beziehen meine spärliche Rente, die oftmals mit Grundsicherung aufgestockt werden muss, damit ein Leben am Existenzminimum möglich ist. Der zweite Arbeitsmarkt kann da als ein guter Einstieg in die berufliche Wiedereingliederung dienen, falls dies die betroffene Person will. Diese Arbeitsplätze sind im geschützten Rahmen und Bieten die erforderliche persönliche Unterstützung. Psychische Erkrankungen kommen meist schon im Jugendalter vor und sie können vererbt werden. Viele psychische Erkrankungen bleiben ein Leben lang unangenehmer Begleiter. Medikamente erleichtern oder bekämpfen die Anzeichen. Oftmals ist in Verbindung mit solchen Erkrankungen leider auch das Problem da, dass Hilfe nicht angenommen wird, bzw. Medikamente aufgrund der starken Nebenwirkungen nicht oder nicht gesichert eingenommen werden. Auch ist der Leidensdruck von Angehörigen ebenfalls sehr hoch, insbesondere wenn die psychisch kranke Person nicht einsieht, dass sie von einem Arzt behandelt werden muss. 

 

Psychisch Erkrankte haben oftmals mit Vorurteilen zu tun. Beispielsweise wird das Verhalten Schizophrener nicht selten als „verrückt“ eingeordnet, weil die Anzeichen der Persönlichkeitsspaltung widersprüchlich sind und damit in sich nicht verständlich erscheinen. Auch wird man von Laien nicht ernst genommen, weil die Verletzungen nicht von außen sicht- oder erkennbar sind. Vielen Erkrankten schreibt der Unwissende grundlos wenig Klugheit, keine Umgänglichkeit und schlechtes Verhalten zu.  

In seltenen Fällen wird fälschlicherweise eine starke Ich-Bezogenheit der erkrankten Person zugeschrieben - des weiteren auch hohe Empfindlichkeit, keine Leistungsfähigkeit. Kurzum: Die Vorurteile stellen Betroffene in ein ungünstiges Licht, obwohl sie nichts dafürkönnen.  

 

Es ist daher äußerst wichtig, dass eine flächendeckende Aufklärung im Fernsehen, Radio, in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet angestoßen werden muss, wodurch sich die Bevölkerung ausführlich informieren kann. Genauso bedeutend ist offene Verständigung - also der direkte Austausch - sowohl mit den Angehörigen als auch mit den Leidtragenden. Die Neu-Ulmer Caritas beispielsweise veranstaltet immer mal wieder Gruppengespräche, in denen der Austausch zwischen allen Beteiligten verbessert wird. Auch Vorträge bekannter Mediziner werden unregelmäßig abgehalten, wo jeder Interessierte die Infos erhält, die er benötigt. Genauso gibt es in ganz Deutschland immer mal wieder Veranstaltungen zum Thema. All diese Maßnahmen tragen erheblich zur zunehmenden Annahme psychisch Erkrankter bei – und das nützt am Ende allen. Zudem ermöglicht vielseitige Aufklärung die Grundlage für ein freundliches und friedliches Zusammenleben untereinander. 

 

Betroffene können sich an verschiedene Anlaufstellen wenden und Hilfsangebote nutzen. Zunächst ist das Fachkrankenhaus (z. B. Psychiatrie) zu nennen, wo die medizinische Versorgung möglich ist. Auch der Facharzt vor Ort (wie Psychiater oder Neurologe) kann dem Erkrankten Hilfe geben. Der Psychotherapeut kann der erkrankten Person mit bspw. Psychoanalyse, Tiefenpsychologie oder Verhaltenstherapie helfen. Auch ist der Sozial psychiatrische Dienst Neu-Ulm (Caritas) zu nennen, der Beratung in Fragen und Problemen, die mit dem Leben zu tun haben, gibt. Hilfe im Alltag gibt das Ambulant Betreute Wohnen (erbracht durch bspw. Diakonie, Seitz, Caritas oder Dominikus Ringeisen-Werk). Wer mehr kann, der sollte sich für die Soziotherapie interessieren, welche in der Nähe von der Diakonie in Neu-Ulm angeboten wird. Wer Spaß am Zusammensein mit anderen hat und den Tag über beschäftigt sein will, der sollte bei den Angeboten von Tagesstätten mitmachen. Die Diakonie hat solch eine Einrichtung in Neu-Ulm. In Ulm bietet der Reha-Verein ähnliches an. Caritas und Diakonie geben psychisch Erkrankten in Neu-Ulm bzw. Günzburg die Möglichkeit, in Wohngemeinschaften oder Wohnheimen mit Betreuung ein schönes Zuhause zu finden. Für die etwas fähigeren Betroffenen sind die Donau-Iller-Werkstätten (mit Gebäuden in Illertissen, Senden, Neu-Ulm, Ulm, Jungingen, Böfingen, Blaustein oder Günzburg) vorhanden oder Unternehmen, wie Salo & Partner in Ulm, deren oberstes Ziel es ist, Betroffene in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.  

 

Angesichts der Tatsache, dass in Zukunft noch viel mehr Menschen an psychischen Erkrankungen leiden werden, ist es wichtig, die Kräfte zu bündeln und sowohl die mediale Aufklärung als auch die Hilfsangebote zu einem großen Strang zusammenzuführen. Das sich daraus ergebende Netzwerk ist mächtig genug, um sowohl Betroffene als auch Angehörige in diese Dinge bezüglich solcher Krankheiten einzubinden und letztlich Harmonie zu schaffen. Darüber hinaus werden Grenzen gesprengt und Brücken gebaut zu den psychisch Unversehrten, was über den Tellerrand hinausblicken lässt – und das ist immens wichtig für letztlich alle Menschen, die in einer Gemeinschaft – wie auch immer diese aussieht – zusammen bzw. im Verbund existieren. 

 

Marco Wannenmacher /Lebenshilfe Donau-Iller

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